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Technische Spielerei oder die Zukunft des Internets?

Lutz Müller für "DB Update" im Interview mit Petra Isabel Schlerit
Führungskräfteportal der Deutschen Bahn AG
veröffentlicht am 04. Juli 2024

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echnische Spielerei oder die Zukunft des Internets?: Was Virtual Reality schon heute kann

Petra Isabel Schlerit ist Expertin für Führungskompetenzen, Kommunikation und
Konfliktmanagement. Neue Wege zu finden, wenn Dinge nicht mehr wie gewohnt funktionieren oder besser gemacht werden können, ist für sie Teil ihrer Arbeit. Auch Virtual Reality (VR) ist ein klarer Fall für die Expertin. Ist VR nur technische Spielerei – oder eine Bereicherung des Arbeitslebens? Auf DB Update nennt Petra Isabel Schlerit Anwendungsmöglichkeiten der Technik.

DB Update: Sie sagen: VR hat eine fantastische Wirkung und bietet vielfältige Möglichkeiten im Arbeitsleben, aber man sollte auch mit ihr umgehen können. Was heißt das?

Einfach irgendwie loszulegen wird unternehmerisch jedoch keinen Erfolg haben. Man muss sich mit der Technologie und mit den zur Verfügung stehenden Programmen auseinandersetzen, um mit guter Qualität damit arbeiten zu können.

Petra Isabel Schlerit: Mittels VR betritt man eine immersive, völlig neue Welt und schließt die Realität vollständig aus. Um sich dort wohlzufühlen, ist es wichtig, sich damit auszukennen. Dazu kommt, dass sich die vorhandenen Technologien, augmented, mixed und virtual Reality immer mehr vermischen und es immer mehr Anwendungen gibt. Hinzu kommt, dass die benötigten Headsets immer besser und günstiger werden und die Künstliche Intelligenz es erleichtert, virtuelle Räume schnell und kostengünstiger zu konstruieren, um Anwendungen oder einen digitalen Unternehmenszwilling zu schaffen. Dann einfach irgendwie loszulegen wird unternehmerisch jedoch keinen Erfolg haben. Man muss sich mit der Technologie und mit den zur Verfügung stehenden Programmen auseinandersetzen, was zugegebenermaßen Zeit kostet.

Wer VR sinnvoll im Geschäftsleben anwenden möchte, muss vorab Ziele definieren und die Skepsis und Unsicherheit bezüglich der Technologie beheben. Die wichtigste Frage ist: Was soll durch den Einsatz von VR erreicht werden? Die Möglichkeiten, die VR bietet, sind erst wirklich erfassbar, wenn man das immersive Eintauchen selbst erlebt hat. Daher ist das direkte Erleben neben den Überlegungen eines sinnvollen Einsatzes notwendig. Mein Rat an die Führungskräfte: Lassen Sie sich unvoreingenommen auf die Technik ein, probieren Sie sie aus, die Ideen kommen dann von selbst.

DB Update: Wo wird VR in der Geschäftswelt bereits jetzt angewendet?

Petra Isabel Schlerit: Im Vertrieb gibt es Beispiele wie Nike, Coca Cola oder auch Gucci. Der Fokus liegt dort sehr auf dem Markt beziehungsweise dem Marketing: Es geht um das Einkaufserlebnis in der virtuellen Welt. Das Ziel globaler Unternehmen dieser Art ist es, dass Kund:innen dort eine dreidimensionale virtuelle Shopping Mall betreten und stöbern können, Produkte ansehen und dann bei Gefallen auch kaufen. Das Internet wird dreidimensional – das gilt für das Einkaufen im Netz, das gilt aber auch für Unternehmensauftritte. Das kann ein Teil von Kundenbindung sein. Denn es ermöglicht zum Beispiel, dass Kund:innen die virtuellen Unternehmenszentralen betreten und dort mit den Firmen in direkten Kontakt treten können – und das gefühlt wie in Präsenz. In diesem Bereich gibt es noch viel Potenzial.

VR-Brille (Foto: Canva)

DB Update: Vom Vertrieb abgesehen: Eröffnen sich durch VR neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Lernens?

Petra Isabel Schlerit: Kollaboration ist da das große Stichwort: Meetings, Projektmanagement,  Weiterbildung, Unternehmensfeiern: Überall dort, wo Menschen interagieren, kann VR eingesetzt werden. Bei der DB wird VR schon seit geraumer Zeit im Arbeitssicherheitsbereich zu Trainingszwecken angewendet. Ich greife einmal die Weiterbildung heraus: Erhebungen aus der Unternehmensberatung PwC haben für diesen Bereich ergeben, dass ein Training unter Verwendung von VR viermal nachhaltiger und effizienter ist als ein reines Online-Meeting. Im Vergleich zu einer Weiterbildungsmaßnahme in Präsenz ist die VR-Variante noch immer zweimal besser. Teilnehmer:innen bei Weiterbildungen via VR sind weniger abgelenkt durch äußere Einflüsse, wie wir sie aus Präsenz Veranstaltungen kennen, und tauchen vollständig in die Lerninhalte ein.

Sie haben das Gefühl, ganz real mit den anderen Personen zu interagieren, als wenn sie präsent zusammen wären.

Übrigens ist VR auch hervorragend geeignet, um im Recruiting neue Wege zu gehen: Ein Unternehmen, das gezielt schon dort auf VR setzt, spricht technikaffine Menschen an, die sich sonst vielleicht gar nicht beworben hätten. Das Employer Branding ist ein ganz anderes.

DB Update: Bei allem Positiven: Heißt das nicht auch, dass sich das reale Leben immer mehr in den virtuellen Bereich verlagert? Statt mit dem Zug zur Oma zu reisen, setzen die Menschen sich einfach eine VR-Brille auf und kommunizieren im virtuellen Raum? Ist das erstrebenswert?


Petra Isabel Schlerit: Was die – vermeintliche – Verlagerung des Lebens in die virtuelle Welt angeht: Den Satz hatten wir vor rund 20 Jahren schon einmal, als das Internet Einzug in das Leben der Menschen hielt. Suchtpotenzial gab und gibt es immer – dennoch hat das Internet unbestreitbar die Welt verändert. Der richtige Umgang mit neuen Technologien ist entscheidend.


Zur Ehrlichkeit gehört dazu: Die Auflösung von VR-Brillen ist derzeit noch nicht so, wie man es zum Beispiel von hoch auflösenden TV-Bildschirmen gewohnt ist. Und manche Menschen vertragen das Tragen einer VR-Brille einfach nicht, ihnen wird schlecht, wenn man eine falsche oder unpassende VR-Software nutzt – professionell angewendet, sind das jedoch sehr wenige.


DB Update: Wie arbeiten Sie persönlich mit VR?


Petra Isabel Schlerit: Ich gestalte Beratungstermine, Trainings und Coachings in VR, wo immer es sinnvoll und mehrwertstiftend ist. Oder nutze es einfach, um für einen kurzen Moment im hektischen Alltag Ruhe oder Bewegung zu gestalten.

Aber ich fahre auch viel mit dem Zug und arbeite dort gern. Es ist sehr störend, wenn alle Mitreisenden auf den Laptop-Bildschirm schauen können.

Mit meiner Apple Vision Pro, ein Spatial Computing Headset, vermeide ich das und kann ganz wunderbar und konzentriert arbeiten, ohne dass mir jemand über die Schulter sehen und vertrauliche Inhalte aufschnappen kann. Ich bin im Zug dann sehr effektiv bei der Sache – ein großer Vorteil für mich dank VR.